Wahrnehmung der Tiere: Wie dein Tier die Welt sieht
Was du über die Wahrnehmung deines Tiers wissen solltest, damit eure Beziehung noch inniger wird
Mir ist so langweilig. Was soll ich bloß machen? Ah, da sind meine Menschen. Vielleicht spielen sie mit mir! Was? Wieso schimpfen sie denn jetzt mit mir? Ich will doch nur ein bisschen Leben in die Bude bringen. Wieso stellen sie sich bloß so an? Ist doch nur eine Couch!
Wenn Frauchen wütend ist, spüre ich das am ganzen Leib. Oft sogar, bevor sie es selbst merkt. Ich merke, dass sie oft innerlich angespannt ist und werde dann ebenso nervös. Ich kann dann nicht still halten, renne umher und manchmal passiert mir sogar ein kleines Missgeschick auf dem Teppichboden. Irgendwie muss die Spannung ja raus. Ich frag mich, warum sie das nicht merkt und ebenso mal schnell Druck ablässt?
Kommt dir das bekannt vor? Nunja, das sind Gedanken von einem fiktiven Hund oder einer Katze, die in unser menschliches Denken übertragen wurden.
Natürlich kann niemand zu 100% sagen, wie genau die Wahrnehmung deines Tiers ist. Denn auch mit Hilfe der Tierkommunikation kann man sich „nur“ in Tiere hineinversetzen und mit ihnen Kontakt aufnehmen – nicht aber tatsächlich mit ihnen den Platz tauschen.
Selbst, wenn du dich mit einem guten Freund darüber unterhältst, wie er sich gerade fühlt, hat jeder von euch seine eigene Wahrnehmung und seine eigene „Realität“. Du wirst nie komplett in ihn „hineinschlüpfen“ können. Allein schon Worte wie „Liebe“ können für den einen etwas komplett anderes bedeuten als für den anderen. Probiere es gerne mal aus, indem du deine Freunde fragst, wie sie dieses Wort für sich selbst definieren.
Wir können also nur Vermutungen über die genaue Wahrnehmung unserer Haustiere anstellen – aufgrund des bisherigen Standes der Wissenschaft und aus unserem Zusammenleben mit ihnen. Dies ergänze ich in diesen Artikel zusätzlich noch durch die Erfahrung aus meiner Arbeit.
Tierische Gefühle – wie dein Tier fühlt
Wir können davon ausgehen, dass Tiere dieselben Grundemotionen wie wir empfinden. Denn der Part im Gehirn, in dem Emotionen entstehen (das limbische System) ist bei Menschen und anderen Säugetieren derselbe.
In diesem Teil des Gehirns werden äußere Reize bewertet und eingeordnet. Durch Hormonausschüttung werden sie mit entsprechenden Emotionen versehen, die dir oder deinem Tier signalisieren, ob etwas angenehm wünschenswert oder unangenehm und bedrohlich ist. So speichert das Gehirn auch Erfahrungen ab, auf die du später immer wieder zurückgreifen kannst.
Haustiere und Menschen können dieselbe Bindung zueinander entwickeln wie Familienangehörige. Das hast du vielleicht schon erlebt. Wenn dein Hund seinen Hundeblick auflegt, kannst du ihm wahrscheinlich gar nicht böse sein. Denn wenn Mensch und Tier sich lange in die Augen schauen oder miteinander kuscheln, stoßen beide Gehirne das Bindungshormon Oxytocin aus.
Es ist also davon auszugehen, dass dein Tier dich ebenso liebt wie du – eine Frage, die viele meiner Klienten an tierischen Freunde stellen („Fühlst du dich wohl bei mir? Liebst du mich auch so sehr wie ich dich?“). Oft ist es sogar überwältigend, mit welcher bedingungslosen Liebe Tiere an unserer Seite sind und wie leicht sie uns kleine Fehler verzeihen können.
Wie du in der Wahrnehmung deines Tiers erscheinst
Auch Empathie haben unsere Haustiere drauf. Immerhin sind sie von uns abhängig. Katzen miauen uns an, weil wir Menschen das süß finden und sie uns damit um den Finger wickeln können. Dann gibt es mehr oder früher essen (also mein Kater Loki ist Meister in dieser „Disziplin“).
Experimente mit Hunden und auch Schweinen haben ergeben, dass sie den Gesichtsausdruck von Menschen lesen und einordnen können. Auch können Tiere unsere Emotionen, bzw. die dabei ausgeschütteten Hormone, riechen.
Andere Experimente haben ergeben, dass Tiere abstrahieren und einschätzen können, was ihre Menschen wahrnehmen und was nicht. Manch ein Tier ist wirklich schlau – z.B. ein Pferd, das dir die Möhre aus der Tasche klaut, während du dich gerade angeregt mit einer Freundin unterhältst und abgelenkt bist. Und auch untereinander sind Tiere zu Empathie fähig. Sie können sich gegenseitig aufmuntern oder sogar austricksen, wenn es um Futterrivalitäten geht.
Wenn du das Gefühl hast, dass dein tierischer Begleiter dich tröstet, wenn es dir schlecht geht, dann ist da etwas dran. Selbst, wenn er nicht versteht, was genau dein Problem ist: Er spürt sicherlich deine Grundstimmung und schenkt dir in diesem Moment besonders viel Ruhe und Liebe.
Es gibt noch viele weitere sehr erstaunliche Entdeckungen über die Gefühle der Tiere, die beweisen, dass Tiere uns teilweise näher sind, als wir im Alltag wahrnehmen. Mein Buchtipp hierzu ist Das Seelenleben der Tiere von Peter Wohlleben.
Mehr darüber, wie dein Tier deine Emotionen wahrnimmt und darauf reagiert, kannst du auch in meinem Artikel Wie lassen sich Probleme zwischen Mensch und Tier lösen? nachlesen.
Wie Tiere die Realität aufnehmen
Menschen und Tiere erfassen in ihrer Wahrnehmung nie die ganze Realität, denn unsere Gehirne filtern genau, welche Reize wir bewusst wahrnehmen sollen und was gerade unwichtig ist. Wenn wir alles, was uns gerade umgibt, wahrnehmen würden, wären wir nicht mehr handlungsfähig. Manches möchtest du vielleicht auch gar nicht wissen – etwa, wie der Achselschweiß deines Gegenübers riecht ;-)
Jedes Lebewesen, bzw. jedes Gehirn, hat seine eigenen Filter für das, was es als wichtig und unwichtig erachtet. Manche Menschen sind so gepolt, dass sie immer das sehen, was negativ ist oder wovor sie Obacht geben müssen, während anderen zuallererst das Verbindende auffällt (z.B. Gemeinsamkeiten und Anknüpfungspunkte mit neuen Bekanntschaften). Es lässt sich nicht sagen, dass die Filter des einen „besser“ sind als die des anderen, denn sie haben alle ihre Vor- und Nachteile.
So hat auch das Gehirn deines Tiers seine Filter. Deinem Haustier fallen vermutlich ganz andere Reize auf als dir. Für einen Hund ist es sehr wohl wichtig, wie genau sein Gegenüber riecht, wenn er einem neuen Menschen oder einem neuen Hund begegnet. Durch die Geruchssignatur können sie sich gegenseitig besser einschätzen. Dein Hund hat also eine sehr viel feinere Nase als du. Er hat seinen Geruchssinn besser trainiert, während deine Filter in diesem Bereich anders ausgeprägt sind und du stattdessen dein Gegenüber mehr mit den Augen musterst.
Sind Tiere immer triebgesteuert und Menschen immer vernünftig?
Man könnte meinen, dass Tiere triebgesteuerter sind als wir Menschen und dass sie sich weniger bewusst aussuchen können, was sie gerade wirklich möchten. Aus meiner Erfahrung ist das nur teilweise korrekt.
Wir Menschen sind auch sehr oft „triebgesteuert“ – nur merken wir es nicht bewusst. Unser limbisches System schlägt wie bereits erwähnt bei allen Reizen an und ordnet sie im Unterbewusstsein für uns ein. Erst mehrere Sekunden später entsteht dann im „bewussten“ Teil unseres Gehirns (dem Neocortex) eine durch diese Einordnung getroffene Entscheidung.
Oft denken wir, dass wir diese Entscheidung wirklich ganz bewusst und durchdacht getroffen haben und haben eine Menge kluger Erklärungen dafür. Zum Beispiel, warum es gerade in diesem Moment doch Sinn macht, das Stück Sahnetorte zu essen, obwohl wir ja eigentlich auf Diät sind.
Wenn uns diese Mechanismen des Gehirns bewusst werden, können wir uns selbst darin trainieren, fortan andere Entscheidungen zu treffen, die z.B. unseren Werten und Zielen dienen und nicht ausschließlich unseren Trieben.
In diesem Punkt unterscheidest du dich sicherlich von deinem Tier. Wir Menschen können stärker über unsere Handlungen reflektieren und sie an unseren Werten oder der gesellschaftlichen Moral messen. Tiere ordnen nicht in „gut“ oder „schlecht“ ein. Dennoch merken sie, wenn sie etwas tun, was wir ihnen verboten haben und können sich auch schämen, wenn wir sie dabei ertappen.
Wahrnehmung der Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart
Tiere planen weder ihre Zukunft, noch denken sie zu viel über die Vergangenheit nach, denn auch dies sind eher menschliche Züge, die mit der Weiterentwicklung des Großhirns im Laufe der menschlichen Evolution entstanden sind.
Für uns Menschen ist es oft sehr entspannend, dass unsere Haustiere im Hier und Jetzt sind, denn dadurch strahlen sie viel Ruhe und „Anwesenheit“ aus. Sie sind nicht geistig in eine Story verwickelt und nehmen uns offen so wahr, wie wir in diesem Moment gerade sind. Sie erwarten nicht von uns, dass wir anders sein müssten.
Aber auch in Bezug auf Vergangenheit und Zukunft gibt es meiner Erfahrung nach kleine Ausnahmen. Tiere können sehr wohl manche Dinge aus der nahen Zukunft erahnen und darauf reagieren oder bereits davor Angst haben. Vielleicht kennst du das Phänomen, dass deine Katze genau spürt, wenn du sie zum Tierarzt bringen möchtest und dass sie sich genau dann versteckt – selbst, wenn es äußerlich keine Anzeichen für den Arztbesuch gab. Deine Katze spürt deine Absicht und weiß bereits, dass ihr beim Tierarzt (aus ihrer Sicht) nichts Angenehmes bevorsteht, weshalb sie sich frühzeitig „in Sicherheit“ bringt.
Gleichzeitig können Tiere, die in der Vergangenheit Traumata erlebt haben, auch im Hier und Jetzt noch stark von den Erlebnissen geprägt sein und weiterhin darauf reagieren. Sie erinnern sich definitiv an das Ereignis und diese Erinnerung kann durch bestimmte, ähnliche Reize wieder hervorgerufen werden. Jedoch sind es meist eher die konkreten Reize, die diese Erinnerung „triggern“, ohne, dass die Tiere ständig aktiv darüber nachdenken.
Es ist möglich, dem Tier zu helfen, mit der Zeit neue, positive Erfahrungen zu sammeln und somit die Angst abzubauen, doch das benötigt Zeit und Geduld.
Schließlich ist noch zu erwähnen, dass Tiere sich wie jedes Lebewesen gerne stetig weiterentwickeln. Wie diese Potentialentfaltung bei Tieren aussieht und was du tun kannst, um sie bei deinem Haustier zu fördern, kannst du in meinem Artikel im Online Magazin Compassioner nachlesen.
So überbrückst du die Unterschiede in eurer Wahrnehmung
Nun, da du eure Unterschiede und Gemeinsamkeiten kennst, kannst du dieses Wissen nutzen, um dich mit deinem Tier noch besser zu verständigen und Missverständnisse zu beseitigen.
Nutze und Schule deine Empathie in Bezug auf deinen tierischen Freund. Versuche immer mal wieder, sich in seine Lage hineinzuversetzen. Wie wäre es wohl, wenn du gewisse Reize sehr viel stärker wahrnehmen würdest? Wenn du mehr riechen und hören würdest und gleichzeitig auch deine eigenen Emotionen sowie die Stimmung der anderen stärker spüren könntest?
Was würde eine plötzlich zufallende Tür bei dir bewirken, wenn du in der Vergangenheit ein schlechtes Erlebnis mit einem knallenden Geräusch gehabt hättest?
Wie wäre es für dich, wenn ein Mensch in deiner Gegenwart zwar nach außen hin ruhig und freundlich auftreten würde, du aber ganz genau spüren könntest, dass er innerlich gerade wütend ist und diese Wut die ganze Zeit verdrängt? Auf welches seiner Signale würdest du dann eher reagieren?
In meinem Artikel zum Thema kannst du noch mehr darüber nachlesen, wie du dich besser in die Welt deines Tiers hineinversetzt.
Außerdem lohnt es sich, Haustieren Dinge zu erklären, die sie nicht verstehen. Mit Hilfe der Tierkommunikation bereite ich manchmal Tiere auf bevorstehende Situationen wie eine längere Reise oder einen neuen Spielkameraden vor. Erst kürzlich habe ich einem Kaninchen die genaueren Umstände für die Trennung von seiner Mutter vermittelt, die aus seiner Sicht zu früh erfolgt ist. Obwohl diese Trennung schon ein paar Jahre zurückliegt, ist das Kaninchen nämlich hin und wieder ängstlich. Mit diesen Erklärungen lässt sich die Vergangenheit zwar nicht ausradieren, aber zumindest für die Tiere besser einordnen.
Auch du kannst deinem Tier im Alltag Dinge erklären. Wenn es Angst vor bestimmten Gegenständen hat, dann lass es sie erst einmal in Ruhe beschnuppern. Zwinge dein Pferd nicht in den Hänger, sondern lasse es ihn erst einmal untersuchen und sich selbst mit all seinen Sinnen davon überzeugen, dass da wirklich nichts Schlimmes dran ist.
Sende deinem Tier innerlich Gefühle und Bilder, die es auf bevorstehende Dinge vorbereiten oder die ihm Sicherheit geben. Wie genau das geht, kannst du mit meinem kostenlosen Leitfaden „4 Schlüssel für die erfolgreiche Kommunikation mit deinem Haustier“ lernen.
Nimm dein Tier einfach ein wenig an die Hand, dann könnt ihr euch wunderbar ergänzen. In einigem mögt ihr euch vielleicht unterscheiden, doch eure Liebe füreinander vereint euch!
Würdest du gerne mehr über dein Gehirn und das Gehirn deines Tiers lesen? Dann hinterlasse gerne an dieser Stelle einen Kommentar!
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