Tiere retten – ein Unterschied für die Welt?
Interview mit Tierschützerin Katrin Brodowski (Tiere retten)
Kennst du sie auch, diese Menschen, denen ständig ein neues hilfsbedürftiges Tier zuläuft und die in diesen Momenten einfach nicht wegsehen können und den Schützling mit nach Hause nehmen, um ihn dort liebevoll aufzupäppeln?
Ich möchte dir heute einen von ihnen vorstellen und mal genauer nachfragen, wie man sich den Alltag eines Menschen mit einem so großen Herz für Tiere vorstellen kann. Katrin Brodowski hat fast schon einen kleinen Zoo bei sich zu Hause, wobei nahezu keines der Tiere ein „geplanter“ Mitbewohner war und alle ihre ganz besondere Geschichte mitbringen.
Um nur ein paar wenige Beispiele ihrer Mitbewohner zu nennen: Da wäre zunächst einmal die Katze Leni, Katrins enge Seelenfreundin, die sich als Baby vor 13 Jahren ganz einfach stundenlang in Katrins Schoß gelegt hat, um ihr zu sagen „mich wirst du nicht mehr los“. Außerdem der einstmals ängstliche, süße Mischlingshund Iskko, der als Welpe in Rumänien misshandelt wurde und schließlich zu Katrin und ihrem Freund nach Deutschland kommen durfte. Felix, das an Enzephalopathie leidende Kaninchen, wurde aus dem Baumarkt gerettet. Neben ihm gab und gibt es noch weitere Kaninchen im Haushalt, denen Katrin geholfen hat. Die Wachhähne Charles und Henry haben als Futterküken das Vergasen überlebt, zu ihnen gesellt sich eine achtköpfige Hühnerschar, die eigentlich geschlachtet werden sollte. Bald dürfen die Hähne und Hennen in ihrem von Katrin neu errichteten „Chicken Castle“ (einem kleinen Häuschen) an einen neuen Platz umziehen.
Außerdem beheimatet Katrins Garten vier Bienenvölker, die ebenfalls aus Tierschutzgründen bei ihr leben. Denn vor ein paar Jahren hat sie sich näher mit dem Thema Bienensterben auseinandergesetzt und überlegt, was man dagegen tun kann. Die Konsequenz war, sich selbst mehr Wissen über diese Tiere anzueignen und dafür zu sorgen, dass zumindest ein paar von ihnen bei ihr leben können. Katrin wird uns auch bald hier auf dem Blog noch ein wenig über Bienen und ihre Eigenarten aufklären, worüber ich mich sehr freue!
Wer mit Katrin befreundet ist, der kann fast täglich neue, süße Bilder oder Geschichten ihrer Tiere mitbekommen, denn sie hat auch noch ein großes Talent dafür, die lustigsten Schnappschüsse ihrer Begleiter zu schießen und diese humorvoll zu kommentieren. Man merkt, dass sich die Tiere bei ihr rundum wohl fühlen und dass in so einem Haushalt immer etwas los ist!
Da die meisten ihrer Schützlinge also ein gewisses Schicksal und eine Leidensgeschichte mitbringen, musste sich Katrin unweigerlich mit einigen Themen auseinandersetzen. Sei es nun das Imkern als Wissenschaft für sich oder wie man mit gewissen Krankheiten und seelischen Verletzungen umgehen kann. Sie erzählte mir, dass das meiste Learning by Doing und auf das eigene Bauchgefühl hören ist, also eine ganz intuitive Herangehensweise. Natürlich hat sie sich dabei auch bei Experten aller Richtungen Ratschläge geholt. Katrin ist von Beruf her eigentlich Pressereferentin und Journalistin. Doch so langsam zeichnet sich ab, dass sie gern noch mehr für Tiere tun würde.
Liebe Katrin, Danke, dass du uns ein wenig über euer Leben berichten möchtest! Ich finde es einfach großartig, wie die Tiere bei dir ein ganz neues Leben beginnen dürfen, wo doch einige von ihnen schon fast totgeglaubt waren. Haben sie denn auch ihr Wesen verändert, seitdem sie bei euch leben?
Danke, es ist mir einfach ein Bedürfnis, Tieren zu helfen – ich kann gar nicht anders. Sie verändern auf jeden Fall teilweise oder komplett ihr Wesen, beziehungsweise ihr Verhalten. Wenn ich unerwartet neuen Wegbegleitern begegne, kann ich nicht unbedingt direkt ihr Wesen erkennen. Denn sie sind ja in einer Notsituation und fremd. Ich würde sagen, ich habe sie und ihr Wesen nach und nach kennengelernt. Allerdings war bei Iskko, unserem Hund, der ja aus einer gewalttätigen Umgebung kam im Gegensatz zu meinen anderen Tieren, eine große Wandlung erkennbar. Er galt als Angstbeißer und war somit eigentlich kaum vermittelbar.
Es hat länger gedauert, bis Iskko sich hat streicheln lassen und drei Monate, bis er dann stubenrein war. Als Hundeanfänger war die Zeit eine sehr anstrengende, aber sehr lehrreich. Und wir wollten unseren Schnuffel auf keinen Fall mehr missen. Wir haben trotz aller Schwierigkeiten unsere Entscheidung nie bereut. Iskko ist nun völlig offen uns gegenüber, anderen Menschen, Tieren und vor allem auch Artgenossen. Er spürt, wie er kleinen und ängstlichen Hunden gegenüber auftreten muss, damit sie keine Angst mehr haben, er versteht sich mit allen. Er kläfft nicht, er ist sehr geduldig und versucht fortwährend unsere Katze davon zu überzeugen, dass er gerne ihr Freund sein möchte. Sie hat ihn mittlerweile akzeptiert, allerdings musste er ein paar Nasenhiebe kassieren, was er jedoch immer klaglos über sich hat ergehen lassen. Iskko ist eine Seele von Hund, unglaublich friedlich, er kann alleine bleiben, hat schnell gelernt an der Leine zu laufen. Trotz allem, was er erlebt hat, hat er doch relativ schnell Vertrauen zu uns gefasst und seine Liebe zu uns – und besonders zu meinem Freund – sieht man täglich in seinem Blick.
Diese Verwandlung von einem zitternden, angsterfüllten, kriechenden Knochengestell mit Fell in einen lebenslustigen, fröhlichen, friedlichen und gesunden Hund mit glänzendem Wuschelpelz ist für mich immer noch beeindruckend und wunderschön. Und gibt mir auch Hoffnung zu glauben, dass wir in einer Welt, die Tieren mit so viel Gewalt begegnet, doch auch wieder etwas gut machen können. Mit Geduld und Liebe. Jeder einzelne an einem einzelnen oder mehreren Tieren. Oft genug höre ich den Spruch: „Du kannst doch nicht alle Tiere retten.“ Nein, leider nicht. Aber ich kann einzelnen Tieren helfen. Denn auch wenn dieses Tier für die Welt keinen Unterschied macht – für das Tier ändert sich die Welt.
Was war das schönste Erlebnis mit deinem kleinen Zoo bzw. mit einzelnen Tieren aus deiner „Herde“?
Ich könnte jetzt nicht sagen, welches Erlebnis das schönste war. Ich bin sehr dankbar dafür, dass alle diese Tiere in mein Leben gekommen sind und es gibt und gab so viele Momente, in denen sie mich zum Lachen gebracht haben, in denen ich mich auch mal geärgert habe… Ich denke, die Tatsache, dass sie da sind und waren und dass ich einigen helfen konnte, wieder gesund zu werden und zu heilen – das ist das Schönste. Und zu sehen und zu spüren, dass die Tiere sich wohlfühlen. Oft sind es kleine tägliche Glücksmomente: Wenn sich die Katze zufrieden auf dem Bett langstreckt oder mich im Hof zum Spielen auffordert, wenn der Hund sich grinsend auf den Rücken wirft, um sich den Bauch kraulen zu lassen. Wenn Felix Hase mit mir fangen spielt, weil er grade keine Lust hat, in den Stall zu gehen. Wenn die Hühner morgens auf mich warten und ihre Hälse neugierig Richtung meiner blauen Schüssel recken, in der ich ihnen pürierte Leckereien mitbringe…
Schön ist auch, wenn eine angeschossene Taube mit angebrochenem Flügel nach sechs Wochen Pflege im Käfig wieder in die Freiheit startet, als sei nichts gewesen. Denn auch solche Tiere, die viele Menschen und auch Tierärzte nicht unbedingt zu ihren Lieblingen zählen, versorge ich.
Würdest du sagen, dass Tiere uns ebenso viel Liebe zurückgeben, wenn wir ihnen helfen?
Auf jeden Fall – und das auf ihre Art und Weise. Natürlich ist eine erwachsene Stadttaube in ihrer gezeigten, beziehungsweise unserer wahrgenommenen, Dankbarkeit anders als unser Hund. Ein Blick über die Schulter auf dem nahen Kirschbaum war ihr Dankeschön, bevor sie losgeflogen ist. Aber ich habe es als solches empfunden. Und natürlich ist die gewachsene Liebe von Iskko ein sichtbares Geschenk. Bei dem, was ich tue, geht es mir aber nicht um Dankbarkeit oder darum, etwas zurückzubekommen. Ich tue das aus einem inneren Bedürfnis und erwarte nichts dafür. Umso schöner ist es natürlich, wenn die Tiere einem ihr Vertrauen schenken. Tiere sind immer voll Liebe und sie sind natürlich dankbar, wenn man ihnen hilft. Sie werden so oft enttäuscht und trotzdem haben die meisten die Fähigkeit, das Erlebte hinter sich zu lassen, wenn sie an einen Ort kommen, an dem es ihnen gut geht und an dem ihnen Liebe und Zuneigung entgegengebracht wird.
Was geht in dir vor, wenn du einem Tier in Not begegnest?
Zuerst einmal schaue ich genau hin, um abzuschätzen, ob das Tier tatsächlich Hilfe braucht. Bei kleinen Vögeln beispielsweise ist das ja immer so eine Sache. Aber wenn ein Greifvogel am Straßenrand oder eine Taube auf dem Gartenweg sitzen und nicht wegfliegen, wenn man auf sie zugeht, ist klar, dass etwas nicht stimmt. Mir fallen solche Tiere auf. Richtige Notfälle waren bei mir tatsächlich meistens Wildvögel. Dabei ist das Problem, dass die wenigsten Tierärzte diese behandeln wollen oder sich damit auskennen. Es sind des Öfteren schon einige Vögel plötzlich „verstorben“, als ich sie beim Tierarzt gelassen habe – obwohl sie nicht schwer verletzt waren. Deshalb mache ich das nicht mehr. Diese Tiere sind zäher als man denkt und brauchen oft auch nur Ruhe oder ein geschütztes Umfeld, um sich zu erholen.
Meist begegne ich den Tieren dann, wenn ich in Eile bin oder wenn ich einen Termin habe und eigentlich keine Zeit. Die nehme ich mir dann aber – mein Freund musste sich daran schon gewöhnen :-). Alles andere tritt dann für den Moment in den Hintergrund, bis ich weiß, was los ist, was zu tun ist, was das Tier zu fressen braucht, wo ich das herbekomme, und wo es schlafen wird. Ein Waldkauz, den ich an der Landstraße aufgelesen habe, war völlig reaktionslos. Ich habe gehalten, eine Decke aus dem Auto geholt – die war auch schon bei zwei Schwanenrettungsaktionen hilfreich – und habe sie ihm übergeworfen. Keine Bewegung. Ich habe sie vorsichtig um ihn gewickelt und ihn auf den Beifahrersitz des Autos gesetzt. Darüber noch eine Decke gespannt und los ging es zum eigentlichen Termin. Kurz vor der Ankunft wurde der Vogel dann munter – und mir wurde es mulmig, da die Krallen des Vogels so aus der Nähe schon beeindruckend sind. Bevor er sich dann aus der ersten Decke gewühlt hat, hat er noch einen schönen Haufen gemacht. Man macht sich ja keine Vorstellung vom Geruch… Am Ende wurde der Vogel in eine Auffangstation gebracht. Er hatte ein Hämatom am Kopf, ist wahrscheinlich gegen ein Auto oder einen Laster geflogen. Nachdem er sich erholt hatte, durfte er wieder zurück in die Freiheit.
Wenn ich in solchen Situationen bin, arbeitet mein Hirn auf Hochtouren und ich durchdenke die besten nächsten Schritte. Es ist wirklich völlig egal, um welches Tier es sich handelt. Ich versuche, immer zu helfen so gut ich es kann und mit jeglicher Fachunterstützung, die ich bekommen kann und die ich für sinnvoll halte.
Wie würde für dich eine bessere Welt für Tiere aussehen und was kann jeder Einzelne dafür tun?
Voraussetzung für eine bessere Welt ist die Erkenntnis, dass Tiere genauso Gefühle und Empfindungen haben wie wir Menschen. Dass sie genauso Liebe und Leid empfinden und eine Seele haben. Dass wir ihnen in keiner Weise überlegen sind. Dass sie uns begegnen, um uns zu unterstützen und liebevoll zu begleiten. Ich wünsche mir, dass die Menschen aufwachen und erkennen, was sie ihnen antun. Dass sie achtsam mit jeder Art von Leben umgehen. Dass sie Tiere als fühlende Individuen respektieren und von der Haltung Abstand nehmen, dass Tiere nur da sind, um uns zu ernähren. Dass sie seelenlose Wesen sind, die man mal ebenso einsperren oder töten kann. Und auch wenn man als Einzelperson nicht alle Tiere retten kann, so kann doch jeder darauf achten, was er isst, wie er einkauft und wie er mit Tieren umgeht. Wichtig ist die Änderung des Bewusstseins. Ich würde mir wünschen, dass einfach mehr Menschen mit offenen Augen durch das Leben gehen und sich die Mühe machen, ein verletztes Tier – was es auch sein mag – wahrzunehmen und ihm Hilfe zukommen zu lassen. Manchmal ist es einfacher als man denkt, wenn man sich von seiner Intuition (und auch nicht nur von Tierärzten) leiten lässt. Nicht immer ist der Rat, das Tier einschläfern zu lassen, der beste. Wohl oft der einfachste für den Tierarzt. (Ich möchte hier nicht generell alle Tierärzte verurteilen – es gibt auch andere. Aber ich kann eben nur das berichten, was ich erlebt habe.) Und natürlich sterben manche trotzdem – aber dann soll es so sein und man hat sein Bestes getan. Ein Versuch ist es immer wert und ich bin überzeugt, dass die Tiere auch diesen Versuch sehr wertschätzen. Die Absicht des Tuns zählt.
Vielen Dank für dieses tolle Interview und weiterhin alles Gute für dich und deine Schützlinge. Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Geschichten!
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